Leber
07. Juni 2022
Ein internationales Forschungsteam hat mit Hilfe der Radiokarbondatierung nachgewiesen, dass die menschliche Leber im Durchschnitt weniger als drei Jahre alt ist.
Das
        interdisziplinäre Team aus
        Forschenden der Fachgebiete Biologie, Physik und Mathematik
        sowie klinischen
        Fachkräften unter der Leitung von Dr. Bergmann analysierte die
        Lebern mehrerer
        Personen, die im Alter zwischen 20 und 84 Jahren gestorben
        waren.
        Überraschenderweise stellte das Team fest, dass die Leberzellen
        aller Probanden
        mehr oder weniger das gleiche Alter hatten.
        „Egal, ob man 20 oder 84 Jahre alt ist, die Leber bleibt im
        Durchschnitt unter
        drei Jahre alt", erklärt Dr. Bergmann. Die Ergebnisse zeigen,
        dass die
        Anpassung der Lebermasse an die Bedürfnisse des Körpers durch
        den ständigen
        Austausch von Leberzellen genau geregelt ist. Dieser Prozess
        bleibt auch bei
        älteren Menschen erhalten. Dieser ständige Austausch von
        Leberzellen ist für
        verschiedene Aspekte der Leberregeneration und der
        Krebsentstehung von Bedeutung.
Leberzellen mit mehr DNA erneuern sich weniger
        Allerdings sind nicht alle Zellen in unserer Leber so jung. Ein
        Teil der Zellen
        kann bis zu 10 Jahre alt werden, bevor sie sich erneuern. Diese
        Unterpopulation
        von Leberzellen trägt mehr DNA als die typischen Zellen. "Die
        meisten
        unserer Zellen haben zwei Chromosomensätze, aber einige Zellen
        akkumulieren mit
        zunehmendem Alter mehr DNA. Am Ende können solche Zellen vier,
        acht oder sogar
        mehr Chromosomensätze tragen", erklärt Dr. Bergmann. 
        „Als wir typische Leberzellen mit den DNA-reicheren Zellen
        verglichen, fanden
        wir grundlegende Unterschiede in ihrer Erneuerung. Typische
        Zellen erneuern
        sich etwa einmal im Jahr, während die DNA-reicheren Zellen bis
        zu einem
        Jahrzehnt in der Leber verbleiben können", sagt Dr. Bergmann.
        „Da dieser
        Anteil im Laufe des Lebens allmählich zunimmt, könnte dies ein
        Schutzmechanismus sein, der uns im Alter vor der Anhäufung
        schädlicher
        Mutationen bewahrt. Wir müssen herausfinden, ob es ähnliche
        Mechanismen bei
        chronischen Lebererkrankungen gibt, die sich in einigen Fällen
        zu Krebs
        entwickeln können."
Lehren aus dem radioaktiven Niederschlag
        Die Bestimmung des biologischen Alters menschlicher Zellen ist
        eine enorme
        technische Herausforderung, weil die üblicherweise in
        Tiermodellen verwendeten
        Methoden nicht auf den Menschen übertragen werden können. 
        Die Gruppe von Dr. Bergmann hat sich auf die retrospektive
        Radiokohlenstoff-Geburtsdatierung spezialisiert und verwendet
        diese Technik zur
        Bestimmung des biologischen Alters von menschlichem Gewebe.
        Kohlenstoff ist ein
        chemisches Element, das allgegenwärtig ist und das Rückgrat des
        Lebens auf der
        Erde bildet. Radiokohlenstoff ist eine der verschiedenen Arten
        von Kohlenstoff
        und kommt natürlich in der Atmosphäre vor. Pflanzen nehmen ihn
        durch
        Photosynthese auf, genau wie normalen Kohlenstoff, und geben ihn
        an Tiere und
        Menschen weiter. Radiokohlenstoff ist schwach radioaktiv und
        instabil. Diese
        Eigenschaften werden in der Archäologie verwendet, um das Alter
        von Proben zu
        bestimmen.
Die in den
        1950er Jahren
        durchgeführten oberirdischen Kernwaffentests brachten massive
        Mengen an
        Radiokohlenstoff in die Atmosphäre, in Pflanzen und in Tiere
        ein. Infolgedessen
        haben Zellen, die in dieser Zeit entstanden sind, höhere Mengen
        an Radiokohlenstoff
        in ihrer DNA.
        Nach dem offiziellen Verbot oberirdischer Kernwaffentests im
        Jahr 1963 begannen
        die Mengen an atmosphärischem Radiokohlenstoff zu sinken und
        damit auch an dem
        Radiokohlenstoff, der in die tierische DNA eingebaut wurde. Die
        Werte von atmosphärischem
        und zellulärem Radiokohlenstoff stimmen sehr gut überein. 
        „Auch wenn es sich um winzige Mengen handelt, die nicht
        schädlich sind, können
        wir sie in Gewebeproben nachweisen und messen. Durch den
        Vergleich der Werte
        mit dem atmosphärischen Radiokohlenstoff können wir rückwirkend
        das Alter der
        Zellen bestimmen", erklärt Dr. Bergmann.


 
                

