Interview mit Prof. Heiner Wedemeyer, Hannover
Heilung für jeden?

Neue Medikamente ohne Nebenwirkungen und Heilungsraten über 90%. Kann wirklich jeder geheilt werden und wenn ja, wann?

Prof. Heiner Wedemeyer, Hannover

Die Studien zur Interferon-freien Therapie der Hepatitis C versprechen goldene Zeiten: Heilungsraten über 90% bei kurzer Therapiedauer und praktisch Nebenwirkungsfrei. Wird dieser Traum in der Praxis wahr werden? Kann jeder Patienten geheilt werden?

Prof. Wedemeyer: Im Jahr 2014 vielleicht noch nicht. Im Jahr 2014 werden uns zunächst der NS5B-Inbibitor Sofosbuvir, dann die Protasehemmer Faldaprevir und Simeprevir, und vielleicht auch der NS5A-Inhibitor Daclatasvir (in compassionate use Programmen) zur Verfügung stehen. Patienten mit Genotyp 2 sowie Patienten mit Genotyp 1 ohne Zirrhose haben mit Interferon, aber auch mit Sofosbuvir ohne Interferon sehr gute Chancen für eine Ausheilung. Bei Patienten Genotyp 3 und Zirrhotikern sehen die Daten erst bei längerer Therapie oder Kombination mehrerer direkt antiviraler Substanzen besser aus.

Für Patienten, die dringlich eine Therapie brauchen, aber nicht warten können, gibt es die Möglichkeit des „Compassionate Use“? Für welche Patienten ist das sinnvoll?

Prof. Wedemeyer: Wir werden einen Compassionate Use für die Kombination Sofosbuvir plus Simeprevir bzw. Faldaprevir oder plus Daclatasvir beantragen für Patienten mit Genotyp 1 Infektion und dekompensierter Zirrhose Child B. Hier wird eine erfolgreiche Therapie der Hepatitis C die Prognose wahrscheinlich relevant verbessern. 

Eine Überraschung war das schlechte Ansprechen bei Gentoyp 3. Drei Monate Sofosbuvir/Ribavirin scheinen nicht auszureichen. Was soll man tun? Die Therapie auf 24 Wochen verlängern oder lieber 12 Wochen plus Inferon?

Prof. Wedemeyer: Zugelassen sein wird wahrscheinlich die Verlängerung der Therapie auf 24 Wochen. Bei Patienten, die Interferon vertragen, ist auch Sofosbuvir/Ribavirin plus Interferon eine gute Option. Was besser ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit sagen.

Gibt es außer dem Genotyp noch andere Prädiktoren für das Therapieansprechen?

Prof. Wedemeyer: Im Vergleich zu früher gibt es nur noch wenige Prädiktoren. Negative unabhängige Prädiktoren sind eine fortgeschrittene Zirrhose, der HCV Genotyp (3 schlecher als 1 und 2) und männliches Geschlecht. Interessanterweise sprechen Frauen auf die direkt antivirale Therapie besser an als Männer. Eine plausible Erklärung dafür gibt es bisher nicht. Und als Sonderfall ist beim Proteasehemmmer Simeprevir der Q80K-Polymorphismus ein negativer Prädiktor.

Die neuen Therapien sind einfach: Therapieanpassungen und Nebenwirkungsmanagement braucht man nicht mehr. Kann also jetzt jeder Hausarzt Hepatitis C behandeln?

Prof. Wedemeyer: Davor möchte ich ausdrücklich warnen.  Es gibt Interaktionen und Besonderheiten zu beachten. Vor allem aber gibt es auch möglicherweise seltene Nebenwirkungen, die in den Studien noch nicht erfasst wurden.

Angesichts der Dynamik im Bereich der Hepatitis C-Therapie ist die Erstellung von S3-Leitlinien unrealistisch. Gibt es eine Alternative? Wo kann man sich orientieren?

Prof. Wedemeyer: Die Fachgesellschaften haben dies Probleme erkannt und reagiert. Die AASLD wird ab Januar „Practise Guidelines“ veröffentlichen. Entsprechende Aktivitäten auf europäischer und nationaler Ebene sind grundsätzlich wünschenswert.

Prof. Wedemeyer, besten Dank für das Gespräch.

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